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Führung auf Distanz

Herausforderungen der virtuellen Führung von Mitarbeitern

Wer seiner Führungsrolle gerecht werden will, muss genug Vernunft besitzen, um die Aufgaben den richtigen Leuten zu übertragen - und genug Selbstdisziplin, um ihnen nicht ins Handwerk zu pfuschen."

Theodore Roosvelt

Führung ist einer der bedeutsamsten Stellschrauben für den Erfolg und gleichzeitig eine der größten  Herausforderungen – und das bereits bei persönlichem Kontakt. Wie also diese Herausforderung meistern, wenn man sich selten bis gar nicht persönlich sieht? Führung auf Distanz birgt Schwierigkeiten und immerhin 71% der befragten Unternehmen sehen laut einer Studie des Fraunhofer Instituts ein Schulungserfordernis der Führungskräfte zum Thema Führung auf Distanz. 81% der Befragten sind sich zudem sicher, dass die Forderung nach Homeoffice künftig stark zunehmen werden. Gleichzeitig urteilen etwa genauso viele, dass eine künftige Nachfrage bzw. gar Forderung nach Homeoffice nicht mehr so einfach abgelehnt werden kann. Eine allgemeine Einschätzung findet somit eine Bestätigung: Homeoffice ist nicht nur eine zeitlich befristete Lösung, um der Pandemie Einhalt zu gebieten, sondern wird einen sichtbaren Beitrag zum längerfristigen Wandel der Arbeitswelt darstellen. Ein Zuwachs an Homeoffice und auch eine Zunahme an Flexoffices als eine Art Zwischenlösung scheinen sehr wahrscheinlich.
 
Die Thematik ist dabei keineswegs neu; virtuelle Teams und Arbeitsgruppen aus unterschiedlichen Regionen der Welt gab es schon lange, insbesondere in internationalen Konzernen. Im Kontext von Covid-19 kamen jedoch etliche Unternehmen in einen selten dagewesenen und extern vorgegebenen „Evolutionsdruck“. Die Arbeit aus dem Homeoffice wurde aufgrund der epidemischen Lage nicht optional, sondern als Standardlösung für die tägliche Bürotätigkeit vorgegeben. Abweichende Situationen musste man als Unternehmen glaubhaft darstellen können.
 
Den Führungskräften kommt auch in dieser Phase eine besondere und große Bedeutung zu. Dies nicht nur, weil sie die Möglichkeiten von Homeoffice für das Team abwägen und eine schnelle Umsetzbarkeit bewerkstelligen mussten. Führungskräfte übernehmen eine umfassende Verantwortung für Ihre Mitarbeiter: u.a. für die Teamleistung, Motivation, Zufriedenheit sowie die Gesundheit und Unversehrtheit. Diese Liste kann man noch deutlich fort- und ausführen. Aber alleine die Übertragung dieser Faktoren genügt, um sich den Herausforderungen einer Führung auf Distanz bewusst zu werden.

Der Teamerfolg wird allgemein und aus Leitungssicht mit einer erfolgreichen Führung in Verbindung gebracht; werden also die Zielvorgaben erreicht, hat die Abteilungsleitung die Aufgabe der Führung erfüllt. In vielen Unternehmen werden verschiedene Versuche unternommen, den Erfolg bzw. Abteilungsleistungen z.B. mithilfe von KPIs (Key Performance Indicator) operationalisierbar und messbar zu machen. Bei Einhaltung der Zielvorgaben drohen in der Regel keine negativen Konsequenzen, während es bei Abweichung vom Ziel klarer Erklärungsansätze bedarf und die Schuld von Zielverfehlung meist der Führungskraft angehangen wird. Wie aber nun die eine Zielerreichung, und dafür erforderliche Produktivität sicherstellen? Kontrolle stellt für viele Führungskräfte ein geeignetes  Mittel dar, um dieses Ziel zu sichern. Dies wird aber durch eine physische Trennung deutlich erschwert - wenn nicht sogar unmöglich. Hier heißt es daher: Mehr Vertrauen, weniger Kontrolle, bei einem starken Zusammenhalt im Team.

 

Der goldene Weg zum Teamerfolg, mittels Vertrauen und Zusammenhalt im Team, ist gekennzeichnet durch die Punkte

  • Kommunikation,
  • Beziehungsgestaltung,
  • Regeln und Strukturen sowie
  • Teambuilding.
 

Wenn diese Bereiche erfolgreich als Agenda verstanden und nachhaltig ausgebaut werden, lässt sich der Teamerfolg auch über die Distanz ermöglichen:

 

Wie können wir sinnvolle Regeln und Strukturen auch auf die Distanz kreieren und beibehalten?
 
Veränderung ist seit langer Zeit in aller Munde, doch bei einem Wandel des Arbeitsumfeldes können altbewährte Strukturen und Regeln nicht etwa einschränkend, sondern stabilisierend für die Belegschaft wirken.


Rituale können einen wichtigen Beitrag zum Rückhalt der Mitarbeitenden darstellen. So sollten Team- und Abstimmungsrunden, Jourfix und Ähnliches beibehalten bzw. neu aufgesetzt werden. Für eine private Umgebung im Homeoffice kann es sehr ratsam sein, einen beruflichen Dresscode und Bestandteile der sonstigen Arbeitsumgebung beizubehalten. Ratsam ist auch eine Eingrenzung der Informationsmenge und -dichte. Beim Verfassen einer E-Mail könnte es also besser sein, den Verteiler kleiner zu halten, anstatt jede Person, die eventuell irgendwann ein Interesse an der Information haben könnte, einzubeziehen. Stattdessen könnte man Lösungen anstreben, um eine dauerhafte Verfügbarkeit und Zugriff auf diese Informationen zu ermöglichen.

 
 

Einer Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatem sollte Einhalt geboten werden, bspw. durch:

  • Einführung und Beibehaltung von Gewohnheiten
  • Feste Kommunikationszeiten
  • Unkomplizierte Chat- und Kommunikationsprogramme
  • Mitarbeiter für bewusste Gestaltung von Pausen- und Arbeitszeiten sensibilisieren
 

 

Beziehungen werden maßgeblich durch die Interaktion aufgrund von Kommunikation gefördert und gefestigt. Dabei kann allgemein zwischen aufgabenbezogener und aufgabenunabhängiger Kommunikation unterschieden werden. Während die aufgabenbezogene Kommunikation keiner Erklärung bedarf bzw. ohnehin stattfindet, stellt sich die aufgabenunabhängige Kommunikation als größere Herausforderung dar.
 
Findet eine aufgabenunabhängige Kommunikation statt, spricht man i.w.S. über Teambuilding. Klassischerweise bildet man darüber Vertrauensübungen und eine Verbesserung der Teambindung ab. Im digitalen Kontext lassen sich Vertrauensübungen – wie das „Fallenlassen“ einer Person und Auffangen durch das Team – nicht oder eben nur einmalig abbilden, da im Anschluss ein neuer Laptop gekauft werden muss. In etwa so verhält es sich auch mit einem Bowling Abend oder dem Escape Room. Je nach Zustand des Homeoffice könnte man eventuell eine digitale Survival bzw. Escape Übung durchführen aber auch das ist eher untypisch.

 

 

Konventionelle Maßnahmen im digitalen Kontext nicht mehr durchführen zu können, hat etwas Positives: Die Suche nach neuen Wegen, Aufbruch in neue Gewässer! Beispiele für aufgabenunabhängige Kommunikation (Teambuilding) im digitalen Kontext:


Social-Telco-Room:
Virtueller Konferenzraum der zu bestimmten Zeitpunkten für jede Person zugänglich ist. Hierüber auch die Möglichkeit eines digitalen Essens / Mittagspausen etc.


Smalltalk-Zeiten:
Beispielsweise am Anfang oder Ende von Meetings oder auch mit festem Termin


Digitales Tasting:
Virtuelles Treffen und gleichzeitiges Coffee-tasting oder aber Gin-/ Whiskey-Tasting an einem entspannten Freitagabend


Eventteilnahme:
Karten für digitale Events und gemeinsame Teilnahme, ggf. im Anschluss Treffen im Meeting-Raum

 

Es wird keine Maßnahmen geben, die bei jedem Team immer passt. Stattdessen müssen Führungskräfte nach neuen Optionen suchen die zur Unternehmens- und Teamkultur passen, eben einen „Cultural Fit“ herstellen. 

Hinter all diesen Bereichen steht aber ein altbekanntes Thema in neuem Gewand – Kommunikation, zielgerichtet und passgenau. Teilweise ist es nicht relevant was gesagt wurde, sondern was die andere Person hört. Das erinnert schon stark an Schulz von Thun, jedoch ist in diesem Kontext nicht das generelle Dilemma von Botschaft-Empfänger gemeint. Über die Distanz können wir wesentlich weniger Emotionen übermitteln, sind gehemmt in unserer Art und Weise uns auszudrücken und Aussagen zu bestärken oder abzuschwächen.

 
 
 Um diese Lücken zu füllen, sollten:

Um diese Lücken zu füllen, sollten:

 

  • Die richtigen Kommunikationskanäle gewählt werden
  • Meetings effizient gestaltet und rein sachliche Abstimmungscalls so betitelt werden
  • Austausch über Befindlichkeiten ebenso klar abgrenzen von Geschäftlichem
  • Es muss eine digitale Kompetenz auf- bzw. ausgebaut werden
 

 

Ein weiterer Aspekt - wie eingangs erwähnt - übernehmen Führungskräfte mindestens eine bedeutsame Teilverantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden. Bringen wir das Thema Führung nun auf ein neues, ungewohntes Terrain - bspw. durch Führung im digitalen Kontext über die Distanz - entfallen diese Verantwortungsbereiche keineswegs. Stattdessen wird wesentlich mehr Sensitivität und Beachtung bei kleinen Tendenzen und Signalen in der Stimmung von Mitarbeitern erforderlich. Im Büro fällt es noch verhältnismäßig leicht, eine Verschlechterung des Stimmungsbildes zu erkennen, da wir im regen Austausch Face-to-Face stehen. Wenn wir also der Erkennung und Interpretation von kleinen Anzeichen eine größer werdende Bedeutung zusprechen, so sollten Führungskräfte besonders bei Führung über die Distanz umfangreiche Kenntnisse über psychische Belastungen erwerben.
 
Viele Punkte, die es zu beachten gilt, aber die Erfahrung aus virtuellen Teams zeigt, dass auch auf die Distanz Führung gut funktionieren kann, wenn sie richtig ausgeführt wird.

 

Als psychologische Organisationsberatung, bietet die Hazelnut Consulting GmbH Seminare und Vorträge zu den Themenfeldern der Führung. Ebenso begleiten wir Organisationen bei der Implementierung und Entwicklung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements. Natürlich tragen auch wir der Corona-Situation Rechnung und führen viele Themen ebenso in Form von Online-Trainings durch - sprechen Sie uns gerne an. 

Literatur:

 

Bonnet P., Hofmann J., Schmidt C., Wienken V. (2015): Die flexible Führungskraft. Gütersloh: Bertelsmann Verlag.
 
Creusen, U., Gall, B. & Hackl, O. (2017). Digital Leadership. Führung in Zeiten des digitalen Wandels. Wiesbaden: Springer Gabler.
 
Hofmann J., Piele A., Rief S. (2020). Arbeiten in der Corona-Pandemie – auf dem Weg zum New Normal. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO.
 
Sedrine, S. B., Bouderbala, A. & Nasraoui, H. (2020). Leadership style effect on virtual team efficiency: trust, operational cohesion and media richness roles. Journal of Management Development.

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