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Wenn ich nicht bekomme, was ich verdiene...

­ … der Einfluss von wahrgenommener Fairness auf das Mitarbeiterverhalten

Die schlimmste Art der Ungerechtigkeit ist die vorgespielte Gerechtigkeit."

Platon (um 400 v. Chr.)

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, endlich faire Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung. Immer wieder hört man Forderungen nach mehr Gerechtigkeit im Arbeitsleben oder nach einem fairen Umgang miteinander. Da stellt sich doch die berechtigte Frage, was eigentlich fair ist. "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" klingt erstmal fair, aber finden das wirklich alle gerecht …unabhängig davon, wie sehr sich jemand anstrengt oder wie lange er bereits im Unternehmen arbeitet? Das darf durchaus bezweifelt werden. Was für den einen fair ist, muss nicht zwingend für jemanden anderen ebenfalls fair sein. Ein objektiver Maßstab, was gerecht ist, lässt sich also nicht anlegen. Gerechtigkeit ist vielmehr ein subjektives Empfinden, eines jeden einzelnen Menschen. Organisationale Fairness bzw. Gerechtigkeit bezeichnet dabei das Ausmaß, in dem sich ein Mitarbeiter innerhalb einer Organisation gerecht behandelt fühlt. Oft wird die Wirkung von Fairness im positiven oder im Falle von empfundener Unfairness im negativen Ausmaß unterschätzt.

 

Ein Beispiel: Die Euler Hermes Kreditversicherung kam zum Ergebnis, dass Unternehmen jedes Jahr durch Diebstahl, Betrug und Unterschlagung ein Schaden von etwa 23,6 Mrd.€ entsteht – in drei von vier Fällen waren die eigenen Mitarbeitenden an den Diebstählen beteiligt. Das Empfinden von fehlender Fairness ist dabei einer der Hauptgründe und nicht nur Diebstahl ist die Folge von wahrgenommener Ungerechtigkeit: Fluktuation, Abwesenheit, höhere Forderungen oder Kündigung sind ebenfalls mögliche Folgen. 

Einen wichtigen menschlichen Grundsatz bildet die Reziprozität, d.h. die Regel der Gegenseitigkeit oder einfacher gesagt „wie Du mir, so ich Dir“. Dieses Gleichgewicht von Geben und Nehmen, wird häufig als erste Form der Gerechtigkeit genannt und als Austauschgerechtigkeit bezeichnet. Ich gebe etwas und stelle dem eine Erwartungshaltung gegenüber. Hat ein Mensch das Gefühl, dass dieses Gleichgewicht nicht vorhanden ist, ist das nicht gerecht und es werden Schritte eingeleitet, um wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Hierbei ist dabei sogar irrelevant, ob das Ungleichgewicht zu meinen Gunsten oder Ungunsten ausfällt, beides soll behoben werden. Was als eigener Einsatz oder Ertrag zu Buche steht und wie stark es gewichtet wird, ist dabei individuell.


Der eigene Einsatz beinhaltet zum Beispiel die eigenen Fähigkeiten, gemachte Erfahrungen, die eigene Intelligenz, Ausbildung und das Alter. Der eigene Ertrag, der sich daraus ergibt, ist zum Beispiel die Bezahlung und Anerkennung die man erhält, das Statussymbol und die Führung in einer Gruppe und die Ausstattung am Arbeitsplatz.

 

Eine Beschränkung auf Einsatz und Ertrag reicht allerdings immer noch nicht. Bringt man sich außerordentlich für den Erfolg eines Projektes ein und bekommt in der Folge einen Bonus, ist die Freude erstmal groß. Diese verfliegt allerdings schnell wieder, wenn man erfährt, dass ein zweites Projektmitglied, welches in der eigenen Wahrnehmung mehr Pausen- als Arbeitszeiten vorzuweisen hatte, einen deutlich höheren Bonus erhält. Neben dem eigenen Einsatz und Ertrag, ist auch stets der soziale Vergleich mitentscheidend. Wie stehe ich im Vergleich zu anderen da? Auch hier ist ein Ungleichgewicht – unabhängig der Richtung – als Spannungszustand zu sehen, der aufgelöst werden soll. Entweder durch kognitive Maßnahmen (Neubewertung, Umdeutung, …) oder durch aktives Handeln: mehr Einsatz, weniger Anstrengung, Forderungen, Sabotage der Vergleichsperson, … oder durch das Verlassen der Vergleichssituation, also möglicherweise auch durch Kündigung. 

 

 

Bei Gerechtigkeit denken die meisten Menschen an diesen Vergleich, alles was über und unter dem Strich steht, allerdings ist dies nur eine Facette von Gerechtigkeit (Verteilungsgerechtigkeit/ distributive Fairness). Denn auch der Ablauf der Ergebnisfindung (prozedurale Fairness) spielt in das Gefühl von Gerechtigkeit mit ein, ebenso wie der Umgang mit den Betroffenen und die Kommunikation (interaktionale Fairness): Wird Mitarbeitenden mit Respekt begegnet? Ist die Kommunikation adäquat? Werden Entscheidungen erklärt?

Um eine möglichst hohe prozedurale Fairness zu gewährleisten gibt es einige Prinzipien, die befolgt werden sollten:

  • Konsistenz der Regelanwendung, sowohl zeitlich als auch interpersonal
  • Unvoreingenommenheit aller Beteiligten
  • Genauigkeit bei der Berücksichtigung aller Informationsquellen
  • Nachträgliche Korrekturmöglichkeit
  • Repräsentativität der Interessen aller Beteiligten
  • Ethische Rechtfertigung ohne Widerspruch zu allgemeinen, gültigen moralischen Standards

Folgt man diesen Prinzipien, zeigen Forschungsergebnisse bspw. einen positiven Effekt auf die Arbeitszufriedenheit, das Vertrauen, ebenso wie auf die Bindung zum Unternehmen oder freiwillige Arbeitsleistungen, über die eigentliche Tätigkeit hinaus.

 

Nur ausgewogene Beziehungen – sowohl zwischen zwei Menschen als auch zwischen Mitarbeiter und Unternehmen – haben langfristig Bestand. Greenberg erforschte bereits 1990 die Wirkung von erlebter Ungerechtigkeit auf die Zufriedenheit anhand von Lohnkürzungen in verschiedenen Unternehmen, die fair oder unfair gestaltet wurden. In dem Unternehmen, in dem die Gründe für die Kürzungen transparent und umfassend erläutert und diskutiert wurden, verschwand in der Folge nur halb so viel Material und weniger Mitarbeiter kündigten.

 

Die Ergebnisse zeigen die Relevanz für Organisationen und Führungskräfte, sich mit den Mitarbeitenden und deren Gerechtigkeitsempfinden auseinanderzusetzen sowie die Wirkung von Handlungen und Entscheidungen zu reflektieren. 

Die Hazelnut Consulting unterstützt Sie in diesem Themenfeld bspw. in den Bereichen Führungskräfteentwicklung und Prozessgestaltung. Faire Prozesse mit einer transparenten Kommunikation und sensibilisierte Führungskräfte bilden wichtige Bausteine, um die Motivation der Mitarbeitenden zu steigern und langfristig zu erhalten. 

Literatur:

 

Adams, J.S. (1965). Inequity in social exchange. In L. Berkowitz (Ed.), Advances in experimental social psychology (Vol. 2, pp. 267-299). New York: Academic Press.

 

Greenberg, J. (1990). Employee theft as a reaction to underpayment inequity: The hidden cost of pay cuts. Journal of Applied Psychology, 75 (5), 561-568.

 

Karam, E. P., Hu, J., Davison, R. B., Juravich, M., Nahrgang, J. D., Humphrey, S. E. & DeRue, D. S. (2019). Illuminating the ‘Face’ of Justice: A Meta-Analytic Examination of Leadership and Organizational Justice. Journal of Management Studies, 56(1), 134-171.

 

Leventhal, G., Karuza, J. & Fry, W. (1980). Beyond fairness: A theory of allocation preferences. In G. Mikula (Ed.), Justice and Social Interaction (pp. 167-218). New York: Springer.

 

Wiek, U. (2018). Fairness als Führungskompetenz. Strategie und Leitfaden für Führungskräfte und Unternehmen der Zukunft. Berlin, Heidelberg: Springer. 

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